Mehr als einhundert Menschen hatten sich am 11. Juli 2020 vor seinem Gedenkstein in der Dörchläuchtingstr. in der Hufeisensiedlung versammelt, um an den Antifaschisten Erich Mühsam zu erinnern.
Seit nunmehr acht Jahren lädt die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts anlässlich seiner Ermordung am 10. Juli 1934 durch die Nazis in zeitlicher Nähe des Todestags zu diesem Gedenken ein und hat damit mittlerweile eine kleine Tradition begründet.
Gemäß dem Grundsatz „Erinnern heißt handeln” verwies die Initiative in ihrem Redebeitrag auf die noch immer nicht aufgeklärten rechten Anschläge,
mit denen Neuköllner*innen überzogen werden, die sich gegen das zunehmende Erstarken von Rassismus und Nationalismus in unserem Bezirk zur Wehr setzen.
Gleichzeitig wurde aber auch darauf hingewiesen, dass Bewohner*innen mit Migrationsbiographien verstärkt zur Zielscheibe rechter Angriffe werden.
Anhand von Beispielen aus dem Neuköllner Politikalltag verdeutlichte der Redner der Initiative, mit welchen menschenverachtenden Forderungen die Neuköllner AfD ihren Rassismus dokumentiert
und auf diese Weise die Munition für die Anschläge liefert. Dabei scheut sie auch nicht vor direkten Anleihen aus der NS-Rassenmedizin zurück.
So habe sie im April dieses Jahres in der Neuköllner BVV gefordert, die Behandlung von an dem Corona-Virus Erkrankten nach dem Kriterium „einheimisch” oder „nicht einheimisch”,
also nach rassistischen Gesichtspunkten, zu selektieren und im Falle eines Mangels an medizinischen Geräten den als „nicht einheimisch” deklarierten Erkrankten die Behandlung zu verweigern.
An derartigen Beispielen werde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dieser Partei immer auch den Kampf gegen die Zerstörung von demokratischen und sozialen Grundsätzen in unserer Gesellschaft verkörpert.
Mit großem Beifall wurde auch der Beitrag des Geschäftsführers der Berliner VVN/BdA aufgenommen, der auf das skandalöse Verhalten der Senatsparteien angesichts des drohenden Entzugs der Gemeinnützigkeit dieser ältesten bundesdeutschen antifaschistischen Organisation einging.
Obwohl diese Entscheidung des Berliner Finanzamtes die finanzielle Austrocknung des Verbandes bedeute, sei bisher weder im Koalitionsausschuss das Thema behandelt worden noch habe ein offizielles Gespräch mit den Vertretern der VVN stattgefunden.
Die Vertreter*innen der Erich-Mühsam-Gesellschaft wiesen noch einmal anhand von Mühsams Verhaftung am 28. Februar 1933 auf die Gefahr der Datenspeicherung von Personendaten in Polizeicomputern hin.
Auch damals hätten die Nationalsozialisten sich bei der Verhaftung ihrer Gegner der Listen der preußischen Polizei bedient.
Es bedürfe keiner besonderen Fantasie, angesichts der heutigen Technik die daraus erwachsenden politischen Möglichkeiten sich auszumalen.
Zwischen den Redebeiträgen begeisterten die beiden Gitarristen „Trotter” Schmidt und „Bibi” Schulz mit neuvertonten Mühsam-Gedichten aus ihrem Programm „Erich Mühsam - von meiner Hoffnung lass ich nicht”.